Para Leichtathletik: Richtigstellung des BSN
Zur Landesmeisterschaft des Niedersächsischen Leichtathletik-Verbandes im Februar 2025 bei dem auch Para Leuchtathlet*innen an den Start gegangen sind äußert sich der Behinderten-Sportverband Niedersachsen zu den in der Wilhelmhavener Zeitung veröffentlichten Vorwürfen.
Bezugnehmend auf den Presseartikel vom 30.01.2025 „Enttäuschung trotz vieler neuer Bestleistungen“ möchte der Behinderten-Sportverband Niedersachsen (BSN) die Sachlage richtigstellen.
Es herrscht große Verwunderung darüber, dass es weder einen Faktencheck noch eine Recherche nach dem Zwei-Quellen-Prinzip gab. Nur die Kennzeichnung als Kommentar von Herrn Möhle hätte diesen Artikel unter seriösen journalistischen Gesichtspunkten gerechtfertigt. Der BSN hätte sich sehr gefreut, vor Abdruck des Artikels die Möglichkeit der Richtig- bzw. Klarstellung gehabt zu haben.
Der BSN richtet als einer der wenigen Verbände, gemeinsam mit dem Niedersächsischen Leichtathletik-Verband (NLV), die Freiluft-Landesmeisterschaften in der (Para) Leichtathletik aus. Bei dieser Veranstaltung werden die Para Sportler mit dem Titel „Landesmeister“ sowie mit Medaillen und Urkunden in einer eigenen Wertung geehrt.
In der Halle bietet der BSN, anders als der NLV, bisher keine Landesmeisterschaften an. Bei den NLV-Hallen-Landesmeisterschaften sind die Kapazitäten aufgrund der räumlichen Voraussetzungen begrenzt. Nur mit den Startern aus NLV-Strukturen ist diese Meisterschaft in der Regel schon ausgelastet. Der NLV bietet während seiner Veranstaltungen Startmöglichkeiten für Para Leichtathleten – dies seit Jahren und nicht aufgrund eines Antrags aus Wilhelmshaven. Für den Fall, dass mehr Para Leichtathleten starten möchten, als es die Kapazitäten zulassen, gibt es Kriterien, die die Teilnahme regeln. Die zuletzt 2023 überarbeiteten Regelungen wurden im Oktober 2024 schriftlich mitgeteilt.
Mit der Intention, möglichst vielen Para Leichtathleten einen Start zu ermöglichen, lässt der NLV die Para Leichtathleten auch außerhalb der angebotenen Altersklassen starten. Deshalb hatte beispielsweise Paul Gerdes aus Wilhelmshaven mit seinen 10 Jahren überhaupt die Möglichkeit, bei den NLV-Landesmeisterschaften, die für die Altersklassen der Männer / Frauen und U18 ausgeschrieben waren, zu starten. Dies ist eine strukturelle Gegebenheit, die von beiden Fachverbänden in sehr guter Zusammenarbeit im inklusiven Sinne genutzt und gelebt wird.
Zu Ihrem Beispiel im Weitsprung:

Selbstverständlich werden unterschiedliche Startklassen getrennt gewertet. Da in jeder Startklasse etwa ein bis zwei Sportler des BSN gemeinsam mit den NLV-Sportlern an den Start gingen, erhielten sie natürlich ihre sechs Versuche, sie wurden ihnen nicht „eingeräumt“. Aber dass die für 10-Jährige übliche Sprungzone bei einem Wettkampf der Männer / U18 bei einer Landesmeisterschaft des NLV nicht eingezeichnet war, sollte aus oben genannten Gründen nachvollziehbar sein. Wichtig: der 10-jährige Paul Gerdes wäre seines Alters wegen gar nicht startberechtigt gewesen – und nur seines Alters wegen nicht!
In dem Artikel heißt es: „In der Ergebnisliste fanden sich […] alle BSN-Sportler hinter ihren NLV-Kollegen […] wieder“. Deswegen möchten wir darauf hinweisen, dass die Ergebnislisten sehr wohl nach Klassifizierung sortiert wurden und dementsprechend auch nach NLV- und BSN-Sportlern.
Des Weiteren ist der Vergleich zweier Geschlechter, die zudem in verschiedenen Startklassen im 60-Meterlauf antreten, nicht nachvollziehbar. Ebenso wie die Äußerung des Satzes: „Über 60 Meter kam Gerdes in neuer Bestzeit von 10,27 Sekunden nur knapp Zeitlauf die Paralympics-Teilnehmerin […].“ Die neue Bestzeit von Paul Gerdes mit 10,27 Sekunden verdient Beachtung, aber ist über diese Kurzdistanz keinesfalls „nur knapp“ hinter der (spastisch gelähmten) Paralympics-Teilnehmerin Laura Burbulla mit 9,77 Sekunden.
Wir sehen es als Aufgabe des Trainers an, seinem jungen Sportler die Sachlage adäquat zu erklären, anstatt die Enttäuschung in den Vordergrund zu rücken, zumal er über die Modalitäten im Vorfeld informiert sein sollte.
Zusammenfassend: Ein inhaltlich leider in vielen Punkten unkorrekter Artikel, der hoffentlich die bisher sehr gelungene und mit großem Engagement gelebte Zusammenarbeit zwischen BSN und NLV nicht beeinträchtigt.
Richard Kolbe, Geschäftsführer
Stellungnahme des Para Leichtathletik-Landeskaders zum Artikel „Enttäuschung trotz vieler neuer Bestleistungen“
verfasst von Florian Wehmeier (stellvertretender Aktivenvertreter BSN)
Mit großer Verwunderung haben wir Sportler vom Behinderten-Sportverband Niedersachsen (BSN) den Artikel „Enttäuschung trotz vieler neuer Bestleistungen“ vom 31.01.25 zur Kenntnis genommen. Der Beitrag enthält eine Vielzahl von Fehlinformationen, die nicht nur ein verzerrtes Bild des Wettkampfs und der Rolle des BSN zeichnen, sondern auch den Para Sport in ein völlig falsches Licht rücken.
Es wird suggeriert, der BSN würde diesen Wettkampf ausrichten. Dies ist sachlich falsch. In der Halle existiert keine BSN-Landesmeisterschaft, wir Para Athleten nehmen an den Landesmeisterschaften des NLV teil und starten – wie allgemein kommuniziert – in einer eigenen „Startklasse“ außerhalb der Konkurrenz.
Dieser Wettkampf wurde in keiner Hinsicht vom BSN organisiert, bzw. ausgerichtet. Jegliche Form der Entscheidung über Angebot der Startklassen obliegt dem NLV. Das Angebot des NLV, dass Para Athlet*innen bei den offiziellen Veranstaltungen teilnehmen dürfen ist eine deutschlandweite Rarität und eine großartige Möglichkeit für BSN-Aktive, unter Wettkampfbedingungen Erfahrungen zu sammeln – was im Leistungssport essenziell ist, gerade im Hinblick auf die sehr spärliche Auswahl an Hallenwettkämpfen in der Para Leichtathletik.
Das Konzept funktioniert seit Jahren– und es funktioniert gut. Niedersachsen hat sich mit dieser Form der Integration einen Vorsprung gegenüber anderen Bundesländern erarbeitet. Der NLV und natürlich auch der BSN haben sehr wohl erkannt, „dass Sportler mit Handicaps nicht mit den NLV-Startern mithalten können“, wie es in dem Artikel so schön heißt. Deswegen wird ja meist getrennt gestartet, eben um die herausragenden Leistungen der Para Athlet*innen zu würdigen. Fragwürdig ist ebenfalls, wie auf Basis dieser falschen Annahmen der Status der Para Sportler als „Gäste“ dramatisiert wird. Der Begriff „Gäste“ ist hier tatsächlich sehr passend, bei einem verbandsfremden Wettkampf ist man nichts anderes als ein „Gast“. Niemand erwartet, dass diese Wettkämpfe perfekt auf Para Sportler zugeschnitten sind. Darum geht es auch gar nicht.
Dieser Meinung ist auch Laura Burbulla, Paralympics-Teilnehmerin im Finale des Weitsprungs der T37 und eine der erfolgreichsten Para Leichtathletinnen Deutschlands: „Als ich von diesem Artikel erfuhr, war ich geschockt. Denn wie auch im Artikel genannt wurde, sind wir als Gäste eingeladen, bei den NLV-Meisterschaften teilzunehmen. Das heißt, wir starten außer Konkurrenz, kämpfen nicht um Meistertitel, sondern gegen uns selbst, und dürfen dadurch wertvolle Wettkampferfahrung sammeln. Würde uns der NLV nicht einladen, hätten wir sonst nur die Deutschen Meisterschaften als Startmöglichkeit. Um dort abliefern zu können, sind genau diese Wettkämpfe so wichtig für uns.“
Auszug der Wilhelmshavener Zeitung vom 21.02.2025
